Chinua Achebe – der Vater der afrikanischen Literatur
Sein erster, 1958 erschienener Roman “Alles zerfällt” hat sich bis heute millionenfach verkauft und ist in rund 50 Sprachen übersetzt. In dem bahnbrechenden Roman schildert Chinua Achebe Lebenskultur, Traditionen, religiöse Praktiken und Geschlechterverhältnisse einer Igbo-Dorfgemeinschaft in Nigeria. Er kritisierte dabei auch das Rollenbild der nigerianischen Frau, die durch Polygamie, Gewalt und Zwangsheirat unterdrückt wurde.
Er gilt als einer der Wegbereiter der modernen afrikanischen Literatur: Chinua Achebe. In seinem wohl bekanntesten Werk “Alles zerfällt” (“Things fall apart”) schildert der 1930 in Nigeria geborene Schriftsteller den Einbruch englischer Missionare in die dörfliche Welt der Igbo. Der Autor spart dabei nicht mit Kritik an den religiösen Kult-Praktiken und patriarchalen Strukturen der autochthonen, vorkolonialen Igbo-Gemeinschaft, in der etwa Zwillinge als Babys im Dschungel ausgesetzt werden, weil deren Geburt Unglück bringe. Nicht minder gewalttätig werden die englischen Missionare beschrieben. Chinua Achebe gelingt es dabei, mit großem Detailreichtum und Gespür für die historische Entwicklung aufzuzeigen, wie geschickt englisches Militär und anglikanische Kirche miteinander zusammenwirkten, um funktionierende afrikanische Gesellschaften zu zerstören.
Der 1958 erschienene Roman “Alles zerfällt” ist bis heute das meistgelesene Buch eines afrikanischen Autors. Er bildet mit den folgenden Romanen “Heimkehr in ein fremdes Land” und “Der Pfeil Gottes” die sogenannte afrikanische Trilogie des Autors. Nicht nur in seinen Romanen, auch in Essays und theoretischen Texten, versuchte sich Chinua Achebe von einem überkommenen, europäisch-kolonialistischen Blick auf Afrika zu emanzipieren. So kritisierte der Autor etwa in einer 1975, an der Universität von Massachusetts gehaltenen Rede das Afrika-Bild in der Erzählung “Herz der Finsternis” von Joseph Conrad. Hier werde ein unberührtes, exotisches Afrika ausgemalt, wo nichts Gutes geschehe und das nur der Entdeckung und späteren Läuterung durch europäische Entdecker harre.
Das Feature folgt dem Werdegang des 2013 in Boston verstorbenen Autors mit Zitaten aus seinem theoretischen und praktischen Werk, seiner eigenen Arbeit als Radio-Journalist für die BBC, seiner Biografie und den Erinnerungen seiner Tochter Nwando Achebe, die heute an der Michigan State University als Historikerin unterrichtet. Die Forschung über die Rolle der Frau in der heutigen afrikanischen Gesellschaft gehört, ganz in der Tradition ihres Vaters, zu den Hauptinteressensgebieten der Tochter Chinua Achebes.
“Alles zerfällt” – der nigerianische Schriftsteller Chinua Achebe.
Feature von Johannes Gelich
Service
Chinua Achebe: Alles zerfällt, S.Fischer, Frankfurt am Main, 2012
Chinua Achebe: Heimkehr in ein fremdes Land, Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2015
Chinua Achebe: Der Pfeil Gottes, List Taschenbuch, 2003
Chinua Achebe: Wie man unsere Namen schreibt. Essays, S.Fischer, Frankfurt am Main 2015
Ezenwa-Ohaeto: Chinua Achebe. A biography. Indiana University Press, Bloomington, Indiana, 1997
Sendereihe
Ö1 Kunstsonntag: Tonspuren
Gestaltung
Johannes Gelich