Linda Stift und Johannes Gelich auf dem Salzburger Literaturfest 2013

lioautorenfoto

Unter dem Motto „Schreibende Paare“ stellen neben den Salzburger Schriftstellern Gudrun Seidenauer und Wolfgang Wenger auch Linda Stift und Johannes Gelich im Rahmen des Literaturfestes Salzburg ihre aktuellen Romane vor. Im Gespräch erzählen die beiden über den gemeinsamen Alltag, ihre Vorliebe für seltsame Charaktere und den geteilten Hang zu Scherz und Ironie.

Wie kann man sich das bei Ihnen vorstellen – bei „schreibenden Paaren“ denkt man sofort an Friederike Mayröcker und Ernst Jandl, Francis Scott und Zelda Fitzgerald, Veza und Elias Canetti oder George Sand und Alfred de Musset, Christa und Gerhard Wolf, Jean Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Haben Sie etwas mit diesen Paaren gemeinsam?

Linda Stift: Ich glaube, all diese Paare hatten, bevor sie quasi berühmt wurden, etwas gemeinsam mit uns: Sie teilten die finanzielle Unsicherheit und ständige Geldknappheit. Wenn zwei Leute künstlerisch tätig sind, ist das immer schwierig, weil ein ständiges sicheres Einkommen fehlt. Das empfinde ich zunehmend als Belastung. Andrerseits sind wir dadurch natürlich flexibel, können uns (relativ) spontan entscheiden, mal wegzufahren.

Johannes Gelich: Wir haben mit den oben genannten vor allem eines nicht gemeinsam: Wir sind nicht weltberühmt. Durch die geringere Fallhöhe ergeben sich viele Vorteile: Wir müssen einander nicht krankhaft beneiden, wir stehen untereinander nicht in einem bedrohlichen Konkurrenzverhältnis und keiner muss dem anderen einen Erfolg neiden, den es in dieser Form nicht gibt.

Viele dieser Paare haben sich gegenseitig im kreativen Sinne beeinflusst, nicht immer gab es aber vor allem für die Frauen Unterstützung im praktischen Sinn. Wie gestaltet sich Ihr Alltag?

Stift: Was die Betreuung des Kindes und den Haushalt betrifft, könnte ich mir vorstellen, dass sie bei einem Paar, das denselben Job in einem Angestelltenverhältnis hat, also gleich viele Stunden auswärts arbeitet und einen gleich langen Arbeitsweg hat, gleichberechtigt sein könnte. Bei uns mache ich tatsächlich mehr, weil ich vielleicht zu rasch aufgebe. Wenn ich mich vor dem Computer quäle und es geht nichts weiter, denke ich, es wäre gescheiter, aufzuhören und diese Zeit mit meinem Kind zu verbringen. Generell finde ich (in meinem Fall) die Vermischung von privat und beruflich schwierig, ich sitze ja meistens zu Hause und schreibe (oder sollte), dann wartet aber gleichzeitig der Geschirrberg oder ein Berg Wäsche etc. Da bin ich zu wenig diszipliniert, ich springe dann auf und räume herum.
In künstlerischer Hinsicht berühren sich unsere Texte hin und wieder, aber wir haben gänzlich unterschiedliche Arbeitsweisen. Johannes schreibt manisch und schnell, verwirft alles wieder, schreibt neu, schreibt um, bei mir geht alles viel langsamer und zäher.

Gelich: Das Wort „Unterstützung“ im Zusammenhang möglichst gleichberechtigter Arbeit impliziert bereits ein hierarchisches Verständnis eines schreibenden Paares, vor allem, wenn es Kinder hat: hier der voll arbeitende Mann, der die möglicherweise „auch noch“ mit Kinderarbeit belastete Autorin und Mutter „unterstützt“. Theoretisch wäre absolute Gleichberechtigung und beiderseitige kollegiale Loyalität das wünschenswerteste, lässt sich in der Praxis aber kaum durchführen. Bei der Frau bleibt immer mehr an Kinderarbeit hängen als beim Mann. Das ist leider die Wahrheit.

Beeinflussen Sie sich inhaltlich?

Stift: Wir haben beide eine Vorliebe für seltsame Charaktere, schräge Vögel, die sich in ihren Beziehungen und Neurosen verstricken. Bei mir geht es oft noch weiter ins Horrorartige, also in die totale Ausweglosigkeit, während Johannes’ Figuren noch einmal davonkommen, so würd ich das vielleicht sagen.

Gelich: Ich glaube, dass uns der Themenkomplex „Ohnmacht“ und alles, was sich daraus ergibt, auf tiefenpsychologische Art und Weise miteinander verbindet.  In einem speziellen Fall ist, wie ich glaube, eine aufmüpfige Dienstbotenfigur von Lindas „Stierhunger“ in meinen Roman „Wir sind die Lebenden“ und von dort wieder zurück zu Linda gehüpft, wie ein fröhlicher Floh.

Gibt es Gemeinsamkeiten?

Gelich: Gemeinsam ist uns, glaube ich, der Hang zu „Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung“, was vielleicht auch der Grund für unsere gleichmäßig verteilte Erfolglosigkeit ist, da Germanisten und Kritiker ja hierzulande Humor oft mit  mangelnder literarischer Qualität gleichsetzen.

Stift: Ich habe da auch eine gewisse Trotzhaltung. Wenn mir attestiert wird, dass es zu grauslich zugehe bei mir, dann denke, das nächste Mal kriegt ihr es eben noch grauslicher.

Ist der Partner jeweils der Erstleser?

Gelich: Bei mir ist Linda immer eine wunderbare erste Leserin, die meiner Arbeit meistens sehr wohlwollend gegenübersteht. Sie ist nicht so eine Fleischhackerin, die meinen Text zerlegt und zerschneidet, was ich, glaube ich, im umgekehrten Fall, eher bin. Wenn ich einen Fleischhacker benötige, greife ich eher auf Freunde zurück.

Stift: Ja, auch bei mir ist Johannes der Erstleser, er hackt tatsächlich rein, ich nehme die Kritik großteils an, nicht immer alles, aber meistens stellt sich später heraus, dass ich das, was ich nicht angenommen habe, annehmen hätte sollen.

Haben Sie schon jemals ein Buch in der selben Saison veröffentlicht? 

Gelich: Wir finden es, glaube ich, immer ganz gut, wenn wir nicht in derselben Saison erscheinen, verhindern es aber nicht bewusst.

Stift: Das wäre aber auch einmal interessant, als Parallelerscheinung, man kann es aber tatsächlich kaum steuern, die Publikationen verschieben sich ja ständig, entweder von einem selber aus oder vom Verlag, das ist eher eine Lotterie.

Liest man Äußerungen von manchen der oben genannten Paare über den jeweiligen Partner, so drängt sich die Frage nach Konkurrenz auf. Wie gehen Sie damit um, wenn der Partner die besseren Verkaufszahlen und Kritiken bekommt?

Gelich: Passiert selten. Normalerweise wundert man sich eher gemeinsam, was für ein Schwachsinn wieder einmal erschienen ist und es wieder einmal in die Bestsellerlisten geschafft hat.

Stift: Es hält sich tatsächlich die Waage. Vielleicht fragen Sie uns das in ein paar Jahr(zehnt)en!

Können Sie sich vorstellen, einmal gemeinsam ein Buch zu schreiben?

Gelich: Das wäre sehr schön. Wir arbeiten gerade an einem Kinderbuch mit dem Namen „Der Hase Plemplem“. Mir würde auch sehr ein gemeinsamer Liebesroman gefallen, der von zwei Seiten her auf die Mitte zugeschrieben wäre und wo wir uns in der Mitte treffen und das letzte Wort teilen könnten.

Stift: Ich tu mir ein bisschen schwer mit Teamarbeit, ehrlich gesagt. Aber das mit dem Liebesroman klingt schön, das wusste ich noch gar nicht.

Johannes Gelich, geboren 1969 in Salzburg, lebt in Wien. Zuletzt erschienen: Wir sind die Lebenden. Roman, Haymon Verlag 2013
Linda Stift, geboren 1969, lebt in Wien. Zuletzt erschienen: Kein einziger Tag. Roman, Deuticke Verlag 2011