ALLES ZERFÄLLT

Chinua Achebe – der Vater der afrikanischen Literatur

Sein erster, 1958 erschienener Roman “Alles zerfällt” hat sich bis heute millionenfach verkauft und ist in rund 50 Sprachen übersetzt. In dem bahnbrechenden Roman schildert Chinua Achebe Lebenskultur, Traditionen, religiöse Praktiken und Geschlechterverhältnisse einer Igbo-Dorfgemeinschaft in Nigeria. Er kritisierte dabei auch das Rollenbild der nigerianischen Frau, die durch Polygamie, Gewalt und Zwangsheirat unterdrückt wurde.

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Der Schatz von Hintersee

Das Gold des Reichsaußenministers Ribbentrop

Feature von Johannes Gelich

Eine folgenreiche Entdeckung machten ein amerikanischer Offizier und einige US-Soldaten im Salzburgischen Hintersee: Im Juni 1945 fanden sie in einem Schuppen 80 Säcke mit Goldmünzen vergraben. Geschätzter Wert – rund 20 Millionen Dollar. Wem gehörte der Goldschatz und wer hatte dessen Verschwinden angeordnet? Bei seiner Recherche stößt der Autor Johannes Gelich auf Spuren, die bis in seine Familie führen.

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Der Schattenkönig und das Nichts

Die äthiopisch-amerikanische Autorin Maaza Mengiste

Feature von Johannes Gelich

Maaza Mengiste ist ein Jahr alt, als 1975 Haile Selassie, der Kaiser von Äthiopien, ermordet wird. Nach dem kommunistischen Militärputsch flieht die vierjährige Maaza Mengiste mit ihrer Familie aus Addis Abeba. Zuerst nach Nigeria und Kenia, dann in die USA.

Die traumatischen Erlebnisse der äthiopischen Revolution sind in Maaza Mengistes erstem, 2010 erschienen Roman “Unter den Augen des Löwen” präsent. Der Roman erzählt am Beispiel einer Familie die blutigen Umbrüche in Äthiopien Mitte der 1970er Jahre, als eine Dürrekatastrophe und die darauffolgende Inflation Massendemostrationen ausgelöst hatten.

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In 200 Büchern um die Welt

Eine literarische Weltreise

Salzburger Nachtstudio, ORF, Ö1

Gestaltung: Johannes Gelich

2011 war von den Absolventen des Aufbaustudiums Buchwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München die Anthologie: “In 80 Büchern um die Welt. Eine literarische Weltreise” erschienen. Und auch dieses Buch nahm Bezug auf einen Klassiker des Abenteuer- und Reiseromans: Jules Vernes “Reise um die Erde in 80 Tagen”. So einfach wollte es sich der Literaturwissenschafter und Professor am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft Wien, Achim Hölter, jedoch nicht machen.

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1923

Das Jahr der Extreme

Radiokolleg, 2.1.2023-5.1.2023
Gestaltung: Johannes Gelich

1923 – das Jahr der Extreme

Teil 1

1923: Reparationszahlungen und Hyperinflation *

Kaum ein Jahres-Jubiläum hat in letzter Zeit eine derartige Fülle an Buch-Publikationen nach sich gezogen wie das Jahr 1923. Vor allem die Hyperinflation in Österreich 1922 und in Deutschland 1923 hat viele Kommentatoren veranlasst, unsere Gegenwart im Spiegel der Ereignisse von 1923 zu betrachten. Auch die zunehmende politische Radikalisierung und der Hitler-Putsch im November 1923 geben vielen Autor:innen heute Anlass zur Warnung vor den Konsequenzen, die Inflation und politische Instabilität nach sich ziehen können. Doch sind derartige Vergleiche tatsächlich angebracht?

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Das Ende vom Ende der Geschichte

30 Jahre nach Francis Fukuyamas Vision

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Gestaltung: Johannes Gelich

Salzburger Nachtstudio
1. Juni 2022, 21:00

Für die einen war seine These vom Ende der Geschichte ein Plädoyer für liberale Demokratien, für die anderen eine euphorische Affirmation des imperialistischen Kapitalismus: Vor genau 30 Jahren erschien Francis Fukuyamas viel diskutiertes Buch “The End of History and the Last Man”. Beeinflusst vom Zusammenbruch der UdSSR vertrat der US-amerikanische Politikwissenschafter die Meinung, dass sich die liberale Demokratie gegen alle anderen Staats- und Wirtschaftssysteme durchgesetzt habe. Fukuyamas These lautete, dass sich gerade vermeintlich starke autoritäre Herrschaftsformen nicht an der Macht halten könnten, da ihre Macht nicht legitimiert sei und das Wohlstandsniveau in jenen Staaten notgedrungen zurückbleibe.

Das Modell der liberalen Demokratien mit freien Wahlen, Gewaltenteilung und Respektierung der Menschenrechte sei das universale Erfolgsmodell am Ende des 20. Jahrhunderts. Mit dem Sieg dieses Modells entfalle, so prognostizierte Fukuyama vor 30 Jahren, in Zukunft der Kampf um Anerkennung durch Kriege und damit auch der Motor der Geschichte. Spätestens nach dem 11. September 2001 und den darauffolgenden Kriegen im Irak und in Afghanistan geriet Fukuyamas These ins Wanken. Einer seiner bekanntesten Kritiker, der US-amerikanische Autor und Politikwissenschafter Samuel P. Huntington, befand im Buch “Kampf der Kulturen”, dass traditionelle tribale Kulturen und religiöse Fundamentalismen den liberalen Demokratien viel stärkeren Widerstand entgegensetzten als Fukuyama angenommen hätte.

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Unsolidarischer Mensch?

Neue Formen der Verantwortungslosigkeit

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Gestaltung: Johannes Gelich

Radiokolleg, ORF Ö1
28. Februar 2022, 09:05

Sie ist wieder in aller Munde: die Solidarität. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie erfuhr die Solidaritätsdebatte eine starke Wiederbelebung: während sich die Bürger im Lockdown in freiwillige Selbstisolierung begaben, um sich mit alten Menschen und Risikopatienten zu solidarisieren, wird den Impfgegnern zunehmend unsolidarisches Verhalten vorgeworfen. Die Gegner der Corona-Maßnahmen fühlen sich wiederum als Opfer eines totalitären Systems und rufen zur Solidarität gegen die Corona-Diktatur auf.

Der Münchner Revolutionär Kurt Eisner definierte 1908 die Solidarität ganz entschieden gegen alte, christlich determinierte Begriffe wie Mitleid und Barmherzigkeit: “Solidarität ist ein kaltes stahlhartes Wort, geglüht im Ofen wissenschaftlichen Denkens.” Die Solidargemeinschaft der Arbeiterbewegung kämpfte in diesem Sinne nicht um die Zuwendung von gönnerhaften Almosen, sondern um ihre rechtlichen Ansprüche wie Lohnerhöhungen, Arbeitslosengeld und Pensionsansprüche. Doch auch rechte und rechtspopulistische Bewegungen setzen heute auf den Begriff der Solidarität, indem sie vor allem auf den exklusiven Charakter der Solidarität pochen. Die Früchte des Wohlfahrtsstaates dürften demzufolge nur vermeintlich fleißigen, leistungsorientierten und kulturell angepassten Inländern zugutekommen. Unter dem Deckmantel der Solidarität wird somit gleichsam unsolidarisches Verhalten nationalisiert und legitimiert.

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Krise der Männlichkeit

Die Suche nach einer neuen Maskulinität

Radiokolleg, 8.-11.11.2021, ORF, Ö1, Gestaltung: Johannes Gelich

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Spätestens mit dem Ende der 1990er Jahre sind der Mann und die Männlichkeit, wie einschlägige deutschsprachige Medien behaupteten, in eine tiefgreifende Krise geraten: “Problemzone Mann”, “Die Krisen des Mannes”, “Angeknackste Helden”, “Krise des weißen Mannes”, “Eine Krankheit namens Mann”, “Verdammt, wo bleibt die Männlichkeit” sind nur einige der Überschriften von Artikeln, die zwischen 2000 und 2005 publiziert worden waren. Das 2003 erschienene Buch “Keine Zukunft für Adam” des Humangenetikers Bryan Sykes prophezeite gar das Aussterben des männlichen Geschlechts in 125.000 Jahren, da das männliche Y-Chromosom nur eine degenerierte Variante des weiblichen X-Chromosoms sei und in Zukunft nur noch schädliche Mutationen hervorbringen werde.

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Das Vermächtnis des Umberto Eco

Narrative der Macht im Zeitalter der Verschwörungstheorien

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Radiokolleg, 3.-5.1.2022, ORF, Ö1
Gestaltung: Johannes Gelich

Er war zweifelsohne der italienische Großmeister des historischen Romans: Umberto Eco. Am 5. Jänner 1932 im italienischen Alessandria geboren, erlebte Eco das Ende des 2. Weltkrieges als historische Epochenwende am eigenen Leib. Als die Partisanen nach der Eroberung eines kleinen Bergdorfs im südlichen Piemont Freudenschüsse in die Luft feuerten, bekam der junge Umberto erstmals eine Ahnung von Freiheit: “Wir Kinder stürzten hin, um die Patronenhülsen aufzusammeln, die kostbare Sammlerobjekte waren, aber ich hatte zugleich gelernt, dass Redefreiheit auch Freiheit von Rhetorik bedeutete”.

Die Auseinandersetzung mit der Sprache der Macht, der Rhetorik des totalitären Machtanspruchs sollte den späteren Schriftsteller, Philosophen und Semiotiker ein Leben lang begleiten: in seinem ersten, 1980 erschienenen Roman “Der Name der Rose”, der ihn über Nacht weltberühmt machte, beschäftigte sich der Autor mit der Frage, inwieweit das Lachen und die Komödie dem autoritären Machtanspruch der Kirche im Mittelalter zuwiderliefen.

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War früher alles besser? Auf der Suche nach der verlorenen Zeit …

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Gestaltung: Johannes Gelich
Juli 2021
Radiokolleg, Ö1, ORF

Der große französische Schriftsteller Marcel Proust kam vor 150 Jahren in Paris zur Welt. Sein Hauptwerk “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” gilt als Meilenstein der modernen französischen Literatur und singuläre Leistung menschlicher Vorstellungskraft. Der “Recherche du temps perdu” wurde immer wieder Nostalgie, Snobismus und Verklärung der Vergangenheit vorgeworfen. Die rhetorische Frage “War früher alles besser?” versucht auf den Spuren von Marcel Prousts Roman-Monument Diskussionen über das menschliche Erinnerungsvermögen anzustoßen.

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BLEICHGESICHT SKALPIEREN VERBOTEN

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Comic- und Jugendkultur im Korrekturmodus
Gestaltung: Johannes Gelich
Salzburger Nachtstudio, ORF, Ö1
August 2021

Die Aufregung war groß, als der Egmont-Ehapa-Verlag Erika Fuchs’ legendäre “Donald-Duck”-Übersetzungen aus den 1960er Jahren veränderte. Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek nannte ihre Unterstützung des Protests “gegen die Schändung der göttlichen Erika Fuchs” sogar eine “heilige Pflicht”.

Doch was war geschehen? Der Rechteinhaber der Erika-Fuchs-Übersetzungen, Egmont Ehapa, legt seit 2019 die “Donald-Duck”-Übersetzungen als “Lustiges Taschenbuch – Classic Edition” neu auf und tilgte bei der Neuausgabe einige politisch inkorrekte Begriffe und Zuschreibungen.
Freudenfett wird Freundlich

So wurde aus dem dicken Schwein Fridolin Freudenfett Fridolin Freundlich, aus dem Maharadscha von Stinkadore der geruchsneutrale Maharadscha von Stikadore; heute politisch inkorrekte Bezeichnungen wie “Indianer”, “Zwerg”, “Eskimo”, “Bleichgesicht”, “rote Brüder”, “skalpieren”, “Territorium”, “Wilde”, “Eingeborene” scheinen seit dem zwölften Band der Neuauflage der “Lustigen Taschenbücher” verboten zu sein.

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Aus dem Leben der Bartlebys

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Feature von Johannes Gelich
Tonspuren, ORF, Ö1
Februar 2021

Den Aussteigern und Nein-Sagern in der Literaturgeschichte ist eines gemeinsam: Sie entscheiden sich aus freien Stücken, in einem als ungerecht, banal oder unerträglich empfundenen Dasein nicht mehr mitzuspielen. Der wohl älteste Totalverweigerer war der sagenumwobene Diogenes von Sinope, genannt der Hund, der als obdachloser Einsiedler in einer Pithos, einem Faß als Unterschlupf gewohnt haben soll. Aber auch die Frauen gingen in der klassischen Antike als Verweigerinnen in die Weltliteratur ein: In der pazifistischen Komödie “Lysistrata” von Aristophanes verschwören sich die Frauen Athens und Spartas und beschließen, sich den kriegsführenden Männern sexuell zu verweigern, um den Peloponnesischen Krieg nach 20 Jahren endlich zu beenden.

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Das abenteuerliche Leben des Tonmeisters Herbert Prasch

Herbert Prasch, der Tönesammler im Afrika der 1950er Jahre.

Feature von Johannes Gelich.

Hörbilder
Zur Sendereihe
30 11 2019

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Für den Sohn einer traditionsreichen Wiener Musikerfamilie ist ursprünglich eine Karriere als Sänger klassischer Arien oder als Pianist vorgesehen. Doch der 1934 in Wien geborene Herbert Prasch interessiert sich zum Leidwesen seiner Eltern mehr für Radios, Mikrofone und Tonbandgeräte als für das Singen und Musizieren.

Mitte der 1950er Jahre bricht er zum ersten Mal nach Nordafrika auf, erforscht und dokumentiert die dort praktizierenden Musiker und verspürt den Wunsch, die Klänge und Lieder aus Afrika aufzuzeichnen. Es folgen zwei große Afrika-Expeditionen, zu denen sich Herbert Prasch gemeinsam mit anderen Abenteurern im Rahmen der “Österreichischen Afrika-Expeditionen” aufmacht.


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Der neue Aktivismus Von Wutbürgern und Weltretter/innen.

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Gestaltung: Johannes Gelich
Radiokolleg, Ö1, ORF
März 2021

Sie stehen eng beisammen, tragen keine Masken und halten Schilder in die Höhe: “Schluss mit der Bevormundung”, “Maske weg” oder “Corona-Wahnsinn stoppen”:
die Corona-Aktivisten. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf die Straße gehen und ihren Dissens mit demokratisch legitimierten Maßnahmen öffentlich ausagieren. Doch wogegen richtet sich der Zorn der Demonstranten und welche Überzeugungen treiben sie an? Greifen hierbei noch traditionelle Denkmuster, die zwischen linken und rechten Anliegen unterscheiden? Im Falle der Corona-Aktivisten zeigt sich eine große Bandbreite an politischen Ideen: Während die einen das mutwillige Einschränken von staatsbürgerlichen Grundrechten und autoritäre Tendenzen hinter den Corona-Maßnahmen kritisieren, vermuten andere gar, die Pharma-Industrie habe Corona erfunden oder glauben an eine Weltverschwörung von superreichen Milliardären im Einklang mit der modernen Wissenschaft.

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Wer ist Opfer? Macht und Ohnmacht eines Rollenbildes

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RADIOKOLLEG, ORF, Ö1
6.-9.4.2020

Gestaltung: Johannes Gelich

In Zeiten von Populismus, Klimakrise, Geschlechter- und Generationenkampf geistert ein Begriff durch die einschlägigen gesellschaftspolitischen Debatten: das Opfer. In den letzten Jahren ist, so scheint es, ein regelrechter Opfermarkt entstanden: das Volk ist Opfer einer von außen gesteuerten Migrationspolitik, sagen rechte Populisten. Der Arbeitnehmer von heute ist Opfer der Profit-Interessen von Kapital, Konzernen und politischen Eliten auf dem Schlachtfeld des Neoliberalismus, sagen linke Populisten.
Frauen sind Opfer von sexistischen Übergriffen in Beruf und Medien, sagen Frauenrechtlerinnen. Männer sind Opfer von blindwütigen Feministinnen, sagen Männerverbände. Dritte-Welt-Länder sind Opfer neokolonialistischer Politik des reichen Westens, sagen Globalisierungskritiker. Wachstumsideologie, Umweltzerstörung und die Ausbeutung von Ressourcen geschehen auf dem Rücken der Kinder, sagen Ökologen. Eltern werden von ihren Kindern in Altersheime abgeschoben und vernachlässigt, sagen Pensionisten-Verbände.

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ALI MAHLODJI – 7000 Geschichten von der Arbeit

SWR2 LEBEN
7000 Geschichten von der Arbeit – gesammelt von Ali Mahlodji
Von Johannes Gelich

Ali Mahlodji weiß, wovon er spricht. Der gebürtige Iraner, dessen Familie 1983 nach Österreich flüchtete, wusste selbst lange nicht, was er einmal werden wollte. Als Kind stotterte er, die Schule brach er vor der Matura ab, kaum jemand glaubte an ihn. Heute ist der 40-Jährige ein gefragter Mann. Als Buchautor, Trend- und Zukunftsforscher hält er weltweit Vorträge zum Thema: “Menschen und ihre Potentiale”. Eines seiner Vorzeigeprojekte ist die Berufsorientierungsplattform “Whatchado” – mit inzwischen mehr als 7000 kurzen Videos, die persönliche Einblicke in die unterschiedlichsten Berufe geben.

Mit Barbara Gassner

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M. BLECHER

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Aus der unmittelbaren Unwirklichkeit.

Der jüdisch-rumänische Dichter M. Blecher. Feature von Johannes Gelich

Er gilt als der große Unbekannte der rumänischen Moderne: M. Blecher. Geboren 1909 im Nordosten Rumäniens, verbrachte der bereits mit 29 Jahren verstorbene Dichter den Großteil seines Erwachsenenlebens in Sanatorien. Der Sohn eines jüdischen Keramikwarenhändlers litt an Knochentuberkulose, einer Wirbelsäulenentzündung, die im fortgeschrittenen Stadium zu Knochenabbau führt. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er nahezu unbeweglich in der immergleichen Position: Er lehnte ein Brett mit schräg angeschnittenen Stützbeinen gegen die Knie, las, schrieb und aß in der gleichen Stellung, in der er auch schlief. Versorgt mit Büchern und Post von führenden Schriftstellern und Philosophen, hielt er sich so über das intellektuelle Geschehen Europas auf dem Laufenden.

Auf diese Weise entstanden seine drei Prosawerke, von denen der 1936 erschienene Band “Aus der unmittelbaren Unwirklichkeit” heute als Meilenstein der rumänischen literarischen Moderne gilt. In Ermangelung einer tatsächlich erlebten, ereignisreichen Wirklichkeit begeben sich Blechers Texte in immer wieder anhebenden introspektiven Gedankenströmen auf die Suche nach einer Wirklichkeit in den Erinnerungen, Empfingungen und der Sprache über den absterbenden Körper.

Völlig unsentimental und mit viel Sinn für die absurde Komik des menschlichen Verfalls erforscht der Dichter mit all seinen Sinnen den eigenen Körper und das eigene Leben wie eine labile Seelenlandschaft. Damit stellt er sich in die erste Reihe moderner literarischer Seelenforscher wie Proust oder Kafka.

Redaktion: Alfred Koch

Gestaltung: Johannes Gelich

Das Ashanti-Fieber. Peter Altenberg und die Wiener Völkerschau 1896.

Das Ashanti-Fieber. Peter Altenberg und die Wiener Völkerschau 1896.

Feature von Johannes Gelich.

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Im Sommer 1896 wird die Stadt Wien von einem regelrechten Ashanti-Fieber erfasst. Tausende Besucher strömen an den Sonntagen in den Tiergarten am Schüttel, um dort die 60 “ausgestellten” Menschen aus dem afrikanischen Stamm der Ashanti zu bestaunen. Im Vorfeld wurde für die Völkerschau eigens ein afrikanisches Dorf mit strohgedeckten Hütten und offenen Werkstätten aufgebaut. 

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DAVID GEGEN GOLIATH – Wenn Einzelkämpfer ins Rad der Geschichte greifen

Radiokolleg – David gegen Goliath
Gestaltung: Johannes Gelich

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Wer kennt sie nicht, die alttestamentarische Geschichte vom jungen israelitischen Hirten David, der den schier unbezwingbaren Riesen Goliath im Kampf bezwingt. Der Mythos vom kleinen, schwachen, unbeirrbaren Kämpfer, der einen scheinbar übermächtigen Gegner in die Knie zwingt, hat in vielerlei Gestalt Eingang in die abendländische Kultur gefunden und bis heute in der populären Kultur überlebt:

ob Charlie Chaplin, Inspektor Columbo oder Asterix und Obelix – all diese Geschichten leben von den kleinen Außenseitern, die sich mit den Mächtigen dieser Welt anlegen. Auf das Narrativ vom siegreichen David wird von Umweltaktivisten, die vom wackligen Schlauchboot aus gegen Riesentanker ins Feld ziehen, genauso zurückgegriffen wie von Rechtspopulisten wie Trump oder Orban.

Doch unabhängig von der politischen und ökonomischen Verwertbarkeit des dramaturgischen David-gegen-Goliath-Schemas, liegt es wohl in der Natur des Menschen, dass sich immer wieder Einzelkämpfer aufschwingen, um gegen einen übermächtigen Gegner und ein dahinterstehendes System aufzubegehren.

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DAS MASSAKER VON MARIKANA – Südafrikanische Minenarbeiter und die Verantwortung der BASF

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Am 16. August 2012
wurden in der südafrikanischen Bergbauregion Marikana 34 Minenarbeiter während eines Streiks von der Polizei erschossen. Die Kommission zur Aufarbeitung des Massakers offenbarte das Desinteresse des Staates und ihres Präsidenten Jacob Zuma, die wahren Schuldigen des Verbrechens zu finden.

Fünf Jahre später sind die Opfer des Massakers oder ihre Angehörigen in Mannheim, um den Chemiekonzern BASF an seine Lieferkettenverantwortung zu erinnern. BASF ist heute wie damals der Hauptabnehmer des Bergbauunternehmens LONMIN und bezieht aus den Minen von Marikana den wertvollen Rohstoff Platin – im Wert von zwei Millionen Euro täglich.

Das Edelmetall findet etwa in PKW-Katalysatoren Verwendung, während die Minenarbeiter das Platin unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen schürfen. Der Konzern BASF bekennt sich in einer Selbstbeschreibung ausdrücklich zu seiner sozialen Verantwortung: “We create chemistry for a sustainable future”. Ob damit auch eine nachhaltige Zukunft der Bergarbeiter von Marikana gemeint ist, darf bezweifelt werden.